GRAZ

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8.12.1999
Sueddeutsche Zeitung vom 18.12.1999 Seite 18 (Region Deutschland)
FEUILLETON
Kopfwechsel
Handke ante portas
Merkwuerdiges geht vor in Graz. Die Vorbereitungen der steirischen Hauptstadt auf ihre Zeit als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2003 hat jetzt schon einen Zug ins Esoterische. Neulich meldete die Wiener Tageszeitung Der Standard: Grazer Literaturhaus wackelt. Dabei gibt es gar kein Grazer Literaturhaus, und ob es je eines geben wird, weiss keiner. Dafuer aber steht bereits fest, wer es leitet: der bekannteste Grazer Germanist Professor Gerhard Melzer. Die Uhr des Glockenturms ueber der Stadt schlaegt wieder 13, Lokalzeit hinterm Semmering.
Gerhard Melzer hat sich grosse Verdienste erworben um die zeitgenoessische Literatur OEsterreichs, und ueberdies sieht er Peter Handke frappierend aehnlich. Dies und mehr mag ihn bewogen haben, sich wissenschaftlich speziell mit dem Werk Handkes zu beschaeftigen. Nun soll Peter Handke zum Autor der Kulturhauptstadt 2003 werden. Dem Internet ist zu entnehmen: His status in world literature, his reference to and relation with Graz. . .. Handke weilte zur grossen, laengst vergangenen Zeit des literarischen forum stadtpark in Graz. Er unternahm spaeter mit dessen Leiter Alfred Kolleritsch lange Wanderungen. Aber in Graz wurde der bei Paris lebende Kaerntner nie mehr gesehen. Das waere alles kein Problem, haette Graz nicht selber Autoren genug. Auf dem staedtischen Friedhof liegt Werner Schwab begraben, dessen Stuecke seit Jahren europaweit gespielt werden. Auch Gerhard Roth, einer der streng befehdeten und hervorragendsten Autoren OEsterreichs, ist Steirer. Aber schon sind die Freunderlpartien an der Arbeit, steht der Kuchen vor jedermanns Nase, wird portioniert.
Im Burggarten von Graz soll es einen Themenpark zur Literatur geben, ein Disneyland der Literatur mit Krimi-Tunnel, Maerchenwiese, Puppentheater und Autorenbar. Dort steht dann vermutlich Wolfgang Bauer und trinkt. Das tut er nun schon seit den Sechzigern nicht unbedingt zum Vorteil seiner literarischen Arbeit. Trotzdem ist er durch Stuecke wie Magic Afternoon, Change und Skizzenbuch ein Held der steirischen Dramatik und keine Micky Maus.
Ausserdem plant Kulturstadtrat Helmut Strobel, das bisher noch fiktive Literaturhaus bereits umzubenennen: in Literaturforum. Er ist ueber Kreuz mit den Leuten vom forum stadtpark, die er damit von der Platte haette. Untergriffe, UEbergriffe, sonst nichts.
Die Hauptstadt der Steiermark plant ihre Schlacht um die Kultur Europas, unter der Leitung des ORF-Kulturmanagers Wolfgang Lorenz, der einen Namen zu verlieren hat. Bevor es vom Grazer Uhrturm 13 schlaegt, sollte er ein Machtwort sprechen. Denn selbst die Eichhoernchen im Stadtpark schuetteln schon die Koepfe.
HELMUT SCHOEDEL
Handke, Peter / Kultur oesterreichischer Schriftsteller
Graz / Kommunales
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